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STAKKA BO - SUPERMARKET (1993)

  • Disc Man B
  • 16. Mai 2016
  • 4 Min. Lesezeit

"Here we go again, to the temple of consumption."

Mit STAKKA BO in der IKEA - zwei schwedische Exportschlager auf dem moralischen Prüfstand.

Es ist Samstag, 08:45 in einer beliebigen IKEA Filiale irgendwo im Schweizerischen Mittelland. Der Eingang ist noch zugesperrt. Eine Viertelstunde bis Verkaufsbeginn.

Das Publikum, ca. 50 Nasen, ist bunt gemischt: Männlein, Weiblein, Kinderlein. Alte, Junge, Mitteljunge. Alle Farben und Formen sind vertreten.

Zehn Minuten noch bis zur Öffnung. Da und dort scharren Füsse, es wird gehüstelt, auf Smart Phones geschaut. Man gibt sich locker, macht Small Talk, bringt sich aber schon einmal in eine strategisch möglichst günstige Position vor der Eingangspforte.

Einer steht aber strategisch so ziemlich im Off, ganz weit hinten. Er scharrt nicht mit den Füssen, schaut nicht auf sein Smart Phone und macht keinen Small Talk. Aber durch seine Kopfhörer groovt "Supermarket", STAKKA BO's brillantes Debut von 1993. Passenderweise gehen genau beim ersten Refrain des Titelsongs die Tore zu den heiligen und günstig möblierten IKEA-Hallen auf: "Here we go again, to the temple of consumption", und dem Typen ganz hinten dämmert, dass hier die zwei vermutlich gegensätzlichsten Exportmarken Schwedens aufeinander prallen. Mit STAKKA BO durch die IKEA, das kann ja heiter werden!

Wusstet Ihr, dass die erste IKEA-Filiale ausserhalb Skandinaviens ausgerechnet in der Schweiz eröffnet wurde, und dass Herr Jonas Renck aus Uppsala, Schweden, damals – im Jahre 1973 der neuen Zeitrechnung – exakt sieben Jahre alt war?

Gut, der erste Teil dieser Info gehört natürlich in die Rubrik "unnützes Wissen" oder in die Sparte "Fakten sekundärer Importanz" und kann mental getrost wieder deleted werden. Die Verkäuferinnen bei den Billy-Regalen oder den Pax-Schränken wurden beim Einstellungsgespräch jedenfalls sicher nicht danach gefragt.

Auch den zweiten Teil des Informationsstranges müsst ihr euch nicht zwingend hinter die Löffel schreiben (ihr könnt es ja jederzeit hier nachlesen).

Aber den darin vorkommenden Herrn Renck aus Uppsala, Schweden, den solltet ihr auf dem Radar haben und tunlichst dort behalten, der ist nämlich ein Heimlifeisser.

1993 dann, genau zwanzig Jahre nach IKEAs Expansion in unser Ländli, wird Bill Clinton, seines Zeichens Nichtraucher und betont zurückhaltend in Sachen Sexpraktika, Präsident der Vereinigten Staaten. Der Krieg in Südosteuropa wütet und Hiphop ist in unseren Landen der heisse Scheiss.

Just zu dieser Zeit wirft Herr Renck mit seiner Stockholmer Hip Hop Combo sein piekfeines Debutalbum "Supermarket" auf den Markt und landet einen Volltreffer: Die Single "Here We Go" erreicht Platz 7 der Schweizer Single Charts.

Das ist die zweithöchste Platzierung ausserhalb Skandinaviens. Wie nun die Wichtigkeit dieser Info schon wieder einzustufen ist, überlasse ich euch.

Nochmal gut zwanzig Jahre später stehe ich an diesem Samstagmorgen in dieser IKEA Filiale im Schweizerischen Mittelland. Ich scharre wie gesagt nicht mit den Füssen, schabe nicht auf meinem Smart Phone herum und verpenne es komplett, mich strategisch günstig hinzustellen. Denn soeben fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Wir hätten auf STAKKA BO hören sollen! Die Welt wäre heute eine bessere! Ohne Scheiss.

Sie waren ja schon 1993 die Rufer und Mahner, diese Stockholmer Jungs, vor allem in Punkto Umwelt und Soziales. Das selbsternannte Gewissen von Mutter Natur und ihren Kindern, lange bevor es den Ausdruck Nachhaltigkeit gab.

Aber genützt hat's leider nicht - die mahnenden Lyrics auf "Supermarket" sind aktueller denn je:

"We gotta save the dolphins, we gotta save the trees

And I do everything I can, I’m really on my knees"

"I never take a bath, a shower is enough

'Cause if we wanna make it, we gotta play it tough"

"They’re buying him a ticket and sending him home

My home is here he says and it’s the only one I know”

"Looks like we're going down the hill

And we're going kind of fast, excited by the thrill"

"A contradiction in terms - evolution reversed

Things should get better, instead they get worse"

"Mountains of waste formed by all our buys

Like towers of babel reaching for the skies"

Ironischerweise wird mir all dies ausgerechnet in einer IKEA Filiale bewusst, in der ich einen Kofferraum voller Zeug kaufe, das irgendwo weit weg von irgendwem unter irgendwelchen Bedingungen produziert wurde, und dessen Verpackung, die ich wegschmeisse, vermutlich nochmal ein halbes Kofferraumvolumen ausmachen wird, während um uns herum die Kacke am dampfen ist, alles immer schlimmer wird und Leute auf der Flucht sind.

Aber weshalb wurden STAKKA BO überhört? Warum hat keiner reagiert? Weshalb hat sich hier die UNO nicht eingeschaltet und gesagt "Welt! Die Jungs hier haben’s auf den Punkt gebracht. Macht entsprechend was, aber pronto!"

Tja, leider haben die Jungs halt ziemlich doof ausgesehen. Zieht euch doch mal die Videos auf Youtube rein - der Grosse Blonde mit dem Schuh und der rothaarige Dödel. Da hat niemand das Bedürfnis bekommen, an der Oberfläche zu kratzen und auf die Message in den Songs zu achten. Die sind schlichtweg nicht für voll genommen worden.

Und leider hat Johan Renck nach zwei weiteren, nicht mehr ganz so erfolgreichen Alben, STAKKA BO auf Eis gelegt und sich als Regisseur der Produktion von TV Serien (zum Beispiel einige Staffeln von Breaking Bad) und Musikvideos (MADONNA, BEYONCE, ROBBIE WILLIAMS und die letzten Videos DAVID BOWIE’s) zugewandt.

Nun aber endlich zur Frage, die euch beim Lesen vermutlich schon die ganze Zeit auf der Zunge liegt: Was zum Henker hat ein Rap / Hip Hop / Elektro-Album wie "Supermarket" auf einem Rock-Blog zu suchen?

Nun ja, im Intro zu dieser superben Page heisst es ja "…die besten Alben aller Zeiten". Und genau das ist "Supermarket": Eines der besten Alben aller Zeiten. Und zwar durchgehend, von Track 1 bis Track 10.

Wenn ich auf eine einsame Insel verbannt würde und nur 10 CDs mitnehmen dürfte, "Supermarket" wäre dabei.

Aber sowas von.

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