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KATHLEEN EDWARDS - ASKING FOR FLOWERS (2008)

  • Disc Man B
  • 2. Apr. 2016
  • 3 Min. Lesezeit

Wenn man im Winter lange über die verschneiten Felder gegangen ist, gegen den eisigen Wind gestemmt und bis zu den Knien im Schnee, mit Schneepartikeln im Gesicht, stechend wie Nadeln, sodass die Wangen glühen und einem die Kälte tief in den Knochen sitzt. Wenn man sich dann endlich dem verlassenen und kalten Haus nähert und sieht, wie sich seine Konturen mit jedem Schritt etwas mehr aus dem Gestöber herausschälen, langsam, schemenhaft zuerst, dann deutlicher.

Wenn man die hölzerne Türe aufstösst, die Diele betritt und der Schnee mit rein stiebt, wenn man den Mantel noch anlässt, ein Feuer im Kamin und etwas Heisses zu Trinken macht, genau dann, wenn der Kamin schon Licht, aber noch keine Wärme spendet, dann sind KATHLEEN EDWARDS' Songs wie eine wärmende Decke. Wie eine zärtliche Geste und das Versprechen, dass bald alles gut, oder zumindest besser werden wird.

Ich fand KATHLEEN EDWARDS auf JIM CUDDY's Soloalbum "The Light That Guides You Home", wo sie mit dem Maestro "Married Again" im Duett singt. Ihre Stimme blieb mir sofort im Ohr haften, und ich musste diesem Fund nachgehen. Kurzrecherche: Eine Kanadierin, irgendwas mit Hockey am Hut, toller Sound... (Und irgendwie haben diese hockeyspielenden Kanadierinnen einfach einen besonderen Coolnessfaktor - denkt nur mal an Robin Scherbatsky - aber hallo!).

Wenig später kam "Asking For Flowers" direkt aus Kanada bei mir an und blies mich um.

Songs, die aus der Dunkelheit und der Kälte des kanadischen Winters stammen, sehnen sich nach Wärme und Licht.

So auch die Stücke auf "Asking For Flowers". Es sind warme, optimistische Songs, allerdings mit einer melancholischen und nachdenklichen Färbung. Optimismus unter Vorbehalt. Es sind Wintersongs, die dem langen Warten auf einen fernen Frühling ähneln. Der Winter, und das Leben im allgemeinen, zehren einen aus, spielen einem übel mit, aber der nächste Frühling kommt bestimmt. Nur noch ein kleines Bisschen auf die Zähne beissen und ausharren! Cabin Fever.

KATHLEEN EDWARDS' Songs sind dabei wie ein bullernder Kachelofen, an dem man es sich gemütlich macht, sich aufwärmt und einen ruhigen Abend verbringt, während draussen der Wind an den Fensterläden rüttelt und heult wie ein hungriger Wolf. Während der Schnee nicht aufhören will zu fallen und die Konturen der Welt verwischt.

Nehmt nur mal "Asking For Flowers" oder das etwas schnellere "I Make The Dough, You Get The Glory". Diese Songs strahlen Wärme aus wie ein Klecks Ahornsirup, der auf einem Stapel heisser Pfannkuchen zerfliesst, langsam, süss und viskos. Beinahe haften winterlich-beruhigende Gerüche an ihnen, wie Zimt oder Kakao. Mit solchen Songs lässt es sich aushalten, wenn's dicke kommt.

Mein Favorit, der Schlusstrack "Goodnight California", ist dann wie der leichte Regen nach einem schweren Gewitter, der noch etwas anhält und nur langsam abklingt. Wie ein heruntergebranntes Feuer, nicht mehr verzehrend aber immer noch schwelend. Beruhigend und hypnotisch sind die Basslinie und die Streicher, aus Watte die stets ändernde, aber sanft arrangierte Instrumentierung rund um die mal ruhige, mal sphärische Stimme. Ein Song, den man einen ganzen Abend lang in Repeat hört, weil er einen davonträgt, wenn man fliegen muss oder einen geerdet am Boden hält, wenn man Bodenhaftung braucht. Ein stiller Song, von einer beruhigenden Kraft.

Ich kann mir vorstellen, dass es viel Kraft gebraucht hat, diese Songs zu schreiben und zu produzieren. Feuer verzehrt sich selber, ein Sturm tobt, bis er seine Energie verbaucht hat.

Nach einem weiteren Album, ihrem vierten, hat KATHLEEN EDWARDS die Musik an den Nagel gehängt. Zumindest produziert sie momentan keine Alben und tourt nicht.

Sie hat irgendwo in Kanada ein Café eröffnet, Quitter's Coffee, und kümmert sich vorerst um ihre Gäste und um sich selber, sortiert ihr Leben.

Ich sag's ja: Diese hockeyspielenden Kanadierinnen sind einfach ziemlich cool.

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