WILCO / BLUE RODEO / BIG IN IOWA / EDDIE VEDDER
- Disc Man B
- 25. Aug. 2014
- 3 Min. Lesezeit

WILCO - A.M. (1995)
BLUE RODEO - Five Days in July (1993)
BIG IN IOWA - Twisted (1998)
EDDIE VEDDER - Music For The Motion Picture Into The Wild (2007)
Es kann ja mal vorkommen, dass er einem erwischt, der Blues. Kommt in den besten Familien vor. Fragen Sie doch mal bei den Hookers, Kings oder den Waters nach, die können vermutlich ein Lied von singen.
Ich hatte meine Midlife Crisis frühzeitig und vollmundig angekündet, hatte bereits Jahre zuvor gewitzelt, dass ich gedenken würde, das volle Programm abzufackeln: Junge Mädels, alte Destillate und der obligate, fette Sportwagen.
Das Problem war dann nur, dass die Krise viel zu früh kam, nämlich bereits so um 2007, 2008, noch bevor ich überhaupt die Möglichkeit gehabt hätte, genügend Zaster zur Beschaffung der zuvor genannten Kompensialien zusammenzukratzen. Mist, verdammter! Ohne Sportwagen, ergo ohne junge Mädels und mit einer lediglich knapp ausreichenden Menge alter Destillate blieb mir nur ein rettender Strohhalm: Stets genügend neue CDs zur Hand zu haben. Freundlicherweise - und als ob meine CD-Lieferanten auf beängstigende Weise die totale Kontrolle über mich erlangt hätten - lieferte mir meine Krise ihren Soundtrack gleich mit: Americana Music.
Americana Music? Was‘n das? Nie gehört… Genau, ging mir auch so. Aber urplötzlich sprangen mir von verschiedenen Seiten Bands ins Ohr, die diesen Mix aus Folk, Country, Blues und Rock'n'Roll spielten, und die in unseren Breitengraden meist unbekannt geblieben waren: BIG IN IOWA, WILCO, BLUE RODEO, SON VOLT und andere.
Besonders WILCO mit "A.M." öffneten mir die Gehörgänge für die typisch anders arrangierten und instrumentierten Rock- und Popsongs der Bewegung. Gschmackige Rocksongs wurden hier mit Banjo-, Mandolinen- oder Fiedelklängen ausstaffiert. Später, nach einer kurzen Eingewöhnungszeit, öffnete sich mein Gehör zu meiner Überraschung auch wohlwollend für die Klänge von Pedal Steel Guitars und dem Country entlehnten Gitarrenlinien - vielleicht, weil es dies, dreissig Jahre zuvor, dank den ALLMAN BROTHERS, alles schon gegeben hatte.
Auf jeden Fall klangen diese Bands schwer nach dem grossen, weiten Amerika. Nach Reisen. Nach endlosen Landschaften, die am Autofenster vorbeiziehen und schnurgeraden Highways, auf denen man tagelang geradeaus fährt und aus schierer Langeweile versucht ist, den Wagen einfach so mal mit den Füssen zu steuern.
Nach Staub auf abgelatschten Stiefeln, nach dem Geruch von frischen Regentropfen auf warmem Asphalt und nach dem Drang, von zu Hause aufzubrechen.
So wurde der Americana Sound zum Katalysator meiner Krise. Sein oft melancholischer Unterton weckte mein Fernweh, wenn ich zu Hause war und mein Heimweh, wenn ich von zu Hause weg war. Und als EDDIE VEDDER’s Soundtrack zum Film "Into The Wild" herauskam und akustisch sowie emotional in exakt die selbe Kerbe schlug, war mir klar, was gegen den Blues zu tun wäre: Ein Abenteuer erleben, aber flottski!
Zuerst war ich allerdings ratlos, woher ein Abenteuer denn so spontan zu nehmen sei. Aber dann kam mir die zündende Idee, und mit ihr auch das Ende der Krise. Die Planung, die Vorbereitung und schliesslich der Aufbruch und die Umsetzung waren meine Therapie, die akustisch stets mit Americana Sound unterlegt war.
Und wenn ich mir heute diese ehrwürdigen Scheiben anhöre, dann ertappe ich mich beim Gedanken, dass mir die Krise mit den jungen Mädels, den alten Destillaten und dem Sportwagen vielleicht ja noch bevorsteht. Den Soundtrack dazu beschreibe ich dann ein ander Mal…
Anspieltipps (auf eigene Gefahr – Anhören kann zum Packen von Koffern führen):
WILCO – A.M.
I Must Be High / Casino Queen / Box Full Of Letters / That’s Not The Issue
BIG IN IOWA – Twisted:
Is This Love / Neon Signs / Rae Jean / Justine (The Acid Queen)
BLUE RODEO – Five Days In July:
Hasn’t Hit Me Yet / Photograph / Head Over Heels
EDDIE VEDDER – Into The Wild:
Setting Forth / Rise / Long Nights / Hard Sun / Society
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